Die Finanzwelt hat in den letzten Jahrzehnten immense technologische Fortschritte erlebt. Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen ist die schrittweise Ablösung des traditionellen Papierwertpapiers durch elektronische Alternativen. Diese elektronische Form der Wertpapiere markiert jedoch nur den Anfang einer noch tiefgreifenden Transformation: der Tokenisierung von Aktien und anderen Vermögenswerten.
Tokenisierte Wertpapiere (auch Kryptowertpapiere) genannt, die auf Blockchain-Technologie basieren, versprechen nicht nur eine effizientere Abwicklung von Transaktionen, sondern auch eine erhebliche Erweiterung der Möglichkeiten für Emittenten und Investoren. Durch die Nutzung von Distributed-Ledger-Technologien (DLT) und Smart Contracts können Wertpapiere direkt auf digitalen Plattformen ausgegeben, gehandelt und verwaltet werden. Dieser Wandel könnte eine neue Ära der Finanzmärkte einleiten, in der die Grenzen zwischen Primär- und Sekundärmarkt verschwimmen und der Handel von Vermögenswerten in Echtzeit und ohne Intermediäre stattfindet.
Doch mit diesen Chancen gehen auch Herausforderungen einher. Die rechtliche und regulatorische Landschaft entwickelt sich, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, während gleichzeitig die Marktteilnehmer die technischen Hürden überwinden müssen, um den Markt für tokenisierte Vermögenswerte voll auszuschöpfen. Die Einführung von Gesetzen wie dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) in Deutschland und der DLT-Pilot-Rahmenverordnung auf europäischer Ebene sind erste Schritte in diese Richtung. Sie bieten den notwendigen Rahmen, um den Handel mit tokenisierten Wertpapieren und anderen digitalen Assets zu ermöglichen und abzusichern.
Dieses Whitepaper widmet sich der Untersuchung des Sekundärmarktes für tokenisierte Assets und beleuchtet die regulatorischen, technischen und operativen Herausforderungen, die es noch zu bewältigen gilt und die einen weiteren Fortschritt hemmen. Dabei wird u.a. ein besonderer Fokus auf die Rolle von Market Makern, die Bedeutung von Stablecoins als Zahlungsmittel, die Notwendigkeit eines effizienten Orderbuch-Managements und die steuerlichen Implikationen gelegt. Zusätzlich werden die Auswirkungen der Unveränderbarkeit der Blockchain auf die rechtliche Sicherheit im Handel analysiert.
Mit diesem Überblick möchten wir einen umfassenden Einblick in den aktuellen Stand der Entwicklung bieten und gleichzeitig auf die offenen Baustellen hinweisen, die gelöst werden müssen, um die Marktreife zu erreichen.
Der Sekundärmarkt für digitale Assets entwickelt sich rasant und gewinnt zunehmend an Bedeutung in Deutschland und Europa. Diese Entwicklung wird maßgeblich durch eine Vielzahl von gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen beeinflusst, die die rechtlichen Grundlagen für den Handel und die Verwaltung digitaler Vermögenswerte schaffen. In Deutschland und auf europäischer Ebene existieren spezifische Regularien, die den rechtssicheren Umgang mit digitalen Assets gewährleisten und gleichzeitig den Schutz der Investoren sicherstellen sollen.
Abbildung 1 Regulierung von Kryptoassets in Deutschland
In Deutschland bildet das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) einen zentralen Baustein, das den rechtlichen Rahmen für die Ausgabe und den Handel elektronischer Wertpapiere festlegt. Die Verordnung über die elektronischen Wertpapierregister (EWpRV) die Führung elektronischer Wertpapierregister präzisiert. Zudem spielen auch die Vorschriften der BaFin eine entscheidende Rolle, insbesondere im Hinblick auf Crowdinvesting und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Finanzdienstleister.
Auf europäischer Ebene tragen der DLT-Pilot-Rahmen, sowie die Regulierungsvorschriften aus MiFiD II und die anstehende Markets in Crypto-Assets (MiCA) Verordnung dazu bei, einen harmonisierten und transparenten Markt für digitale Assets zu schaffen. Der DLT-Pilot-Rahmen soll Innovationen und Experimente im Bereich der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) fördern, während MiFiD II bereits etablierte Regeln für die Finanzmärkte und deren Akteure enthält. Die MiCA-Verordnung schließlich zielt darauf ab, einheitliche Standards für Kryptowährungen und deren Anbieter innerhalb der EU zu schaffen und damit die Marktintegrität und den Anlegerschutz zu stärken.
Diese gesetzlichen und regulatorischen Maßnahmen bilden das Fundament für einen stabilen und vertrauenswürdigen Sekundärmarkt für digitale Assets, der sowohl den Bedürfnissen der Investoren als auch den Anforderungen der Aufsichtsbehörden gerecht wird. Sie ermöglichen es Marktteilnehmern, innovative Finanzprodukte zu entwickeln und anzubieten, während gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz gewährleistet wird.
Abbildung 2 Kryptoassets Regulatorik in der EU
Market Maker spielen eine wesentliche Rolle in Finanzmärkten, indem sie kontinuierlich Kauf- und Verkaufsangebote (Quotes) für Finanzinstrumente stellen. Ihr Hauptziel ist es, die Liquidität zu erhöhen und die Spreads, also die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreisen, zu minimieren. Dadurch erleichtern sie den Handel und tragen zur Stabilität und Effizienz der Märkte bei. In klassischen Märkten wird dabei zwischen Regulated Market Markern (RMM) und Designated Sponsors unterschieden.
Regulated Market Maker sind institutionelle oder individuelle Händler, die dafür verantwortlich sind, durch das fortlaufende Einstellen von Kauf- und Verkaufsaufträgen eine konstante Handelsmöglichkeit zu gewährleisten. Sie agieren in Übereinstimmung mit regulatorischen Vorgaben, wie etwa MiFID II und der Delegierten Verordnung (EU) 2017/578 (RTS 8). Um als Regulated Market Maker tätig zu sein, müssen sie sich registrieren und den festgelegten Anforderungen entsprechen.
Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit ist die kontinuierliche Quotierung. Regulated Market Maker stellen gleichzeitig Kauf- und Verkaufsangebote ein, die in Größe und Preis wettbewerbsfähig und miteinander vergleichbar sind. Diese Angebote müssen während mindestens 50% der täglichen Handelszeit verfügbar sein, um den Markt mit ausreichender Liquidität zu versorgen.
Designated Sponsors Designated Sponsors sind eine spezialisierte Form von Market Makern, die zusätzlich zu den Aufgaben eines regulären Market Makers erweiterte Verpflichtungen übernehmen:
Ähnlich wie in klassischen Sekundärmärkten könnten bei tokenisierten Wertpapieren auf einer Blockchain auch Market Maker Liquidität bereitstellen. Während im nativen Krypto-Space seltener Orderbücher zu sehen sind1 und eher auf sog. Liquidity-Pools zurückgegriffen wird, könnten für tokenisierte Wertpapiere analog zu klassischen Märkten Market Maker aktiv werden und den Sekundärmarkt mit Liquidität und unterstützen.
Durch die Festlegung des regulatorischen Rahmens können sich die Dienstleister rund um Sekundärmärkte für digitale Assets nun auf die technischen und prozessualen Herausforderungen, welche noch zu lösen sind, fokussieren. Dazu zählen unter anderem:
Beim zu verwendenden Zahlungsmittel muss zwischen
unterschieden werden.
Alle Zahlungsmittel zielen darauf ab, digitale Alternativen zu herkömmlichen Fiat-Währungen zu sein. Jedoch dienen die jeweiligen Alternativen unterschiedliche Zwecke und richten sich an unterschiedliche Marktsegmente. CBDCs sind in erster Linie für Interbankenabrechnungen gedacht und bieten Finanzinstituten eine effizientere und sicherere Möglichkeit, Zahlungen in großem Umfang durchzuführen. Stablecoins werden oft von Privatkunden und kleineren Unternehmen genutzt, welche ein stabiles und zugängliches Tauschmittel für alltägliche Transaktionen benötigen. Der folgende Abschnitt befasst sich ausschließlich mit Retail Stablecoins als Zahlungsmittel.
Eine Wertpapiertransaktion auf einem Sekundärmarkt benötigt üblicherweise mind. zwei Instrumente, welche gegeneinander ausgetauscht werden (Im Normalfall, ein Zahlungsmittel gegen ein Wertpapier). Die Blockchain ermöglicht sogenannte Atomic Settlements, also sofortige und simultane “Delivery-vs-Payment” Verfahren (siehe Abbildung 3). Um dies zu bewerkstelligen, benötigt man auf der Blockchain zwei verschiedene Token (welche entweder das Wertpapier oder eine
Währung repräsentieren). In der Krypto-Welt werden solche Transaktionen mit Kryptowährungen (z.B. Ether (ETH)) abgewickelt. Aus verschiedensten validen Gründen wollen traditionelle Finanzakteure ihre Transaktionen nicht mit Kryptowährungen abwickeln. Sie wollen sich zum Beispiel nicht den Volatilitätsrisiken aussetzen oder sich mit den operationellen Umstellungen (Stichworte Steuern, Sicherheit, und Buchhaltung) herumschlagen.
Abbildung 3 Atomic Settlements als Delivery-vs-Payment-Verfahren
Als Alternative zu den volatilen Kryptowährungen existieren sogenannte Stablecoins. Stablecoins sollen einen beständigen Wert beibehalten und 1:1 die uns bekannten Geldwährungen repräsentieren. Für Trader, welche ihre Börsentätigkeiten in US-Dollar abwickeln, gibt es bereits seit längerem die Möglichkeiten US-Dollar-Stablecoins zu nutzen. Die renommiertesten Anbieter finden sich in USDT (von Tether) und USDC (von Circle) wieder. Beide Anbieter wickeln bereits tägliche Handelsvolumen im 2-stelligen Milliardenbereich ab und werden weltweit von etablierten Finanzunternehmen genutzt. Dabei legt USDT (Tether) den Fokus auf den weniger regulierten, öffentlich zugänglichen Blockchain-Markt, wohingegen USDC (Circle) den Schwerpunkt auf regulierte Märkte und traditionelle Finanzakteure legt.
Für Trader, die hingegen ihre Geschäfte in Euros abwickeln, gab es bisher nur sehr begrenzte Angebote und diejenigen Stablecoin-Anbieter, welche existieren, konnten bisher nicht genügend Liquidität vorweisen, welche die Nutzung ihres Produktes rechtfertigen würden. Dies spiegelt sich auch im Handelsvolumen wider. Laut einem gemeinsamen veröffentlichten Bericht von BitVavo und Kaiko2 betrug das in EUR-Stablecoins abgewickelte Volumen im Jahr 2023 nur 0.3% des gesamten Stablecoin Marktes.
Ohne eine liquide Handelswährung, lässt sich ein Sekundärmarkt kaum in Betrieb nehmen. Unter anderem deswegen sahen wir in den letzten Jahren keinen EUR-basierten Sekundärmarkt für digitale Assets. Dank der regulatorischen Klarheit der letzten Monate gab es in den letzten 12 Monaten jedoch sehr erfreuliche Entwicklungen rund um verschiedene EUR-Stablecoin – Anbieter.
Jüngst hat Circle erster Anbieter den positiven Bescheid für ihren Euro-Stablecoin EURC in Bezug auf die Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCA) erhalten. Somit besteht nun der erste regulierte Euro-denominierte Stablecoin. Dies schafft Vertrauen bei traditionellen Finanzakteuren und es kann eine zukünftige Steigerung der in EUR-Stablecoin abgewickelten Volumen erwartet werden.
Verschiedene Anbieter, die im Rahmen des DLT-Pilotprojekts einen Sekundärmarkt für digitale Assets (DLT-TSS) betreiben wollen, werden von den nationalen Finanzaufsichtsbehörden der EU eingehender geprüft. Zusätzliche positive Entscheidungen bezüglich der Lizenzanträge werden die Liquidität und die Entwicklungen für den Sekundärmarkt positiv beeinflussen.
In einem Orderbuch werden die verschiedenen Kauf- und Verkaufsorders von Händlern (wie z.B. Market Maker) zusammengefasst. Das Orderbuch scannt im Millisekundenbereich die Orders und sobald eine Verkaufsorder und Kauforder matchen, kommt das entsprechende Geschäft zustande und die Transaktionsinstruktionen werden an die involvierten Transaktionsparteien übermittelt.
Dieser Service wird entweder von regulierten Börsen oder von Unternehmen mit einer sogenannten MTF-Lizenz angeboten. Blockchain-Jünger würden am liebsten alle Prozesse mittels der Blockchain lösen. Dies ist jedoch nicht in allen Fällen die pragmatischste Herangehensweise. Um die verschiedenen Kauf-/ und Verkaufsorders wie bei einer multilateralen Handelseinrichtung (MTF) zu überprüfen und gegebenenfalls zu matchen, müsste ein Bot auf der Blockchain für jede Überprüfung Netzwerkgebühren bezahlen. Wenn wir dies hochskalieren mit der Frequenz, in welcher die traditionelle Welt die Quotierungen scannen (Millisekundenbereich), kann man sich vorstellen, dass die Kosten für die Überprüfung auf der Blockchain schnell ins Unermessliche steigen würden.
Neben dem Scannen der aktiven Order, generiert auch die einfache Erstellung einer initialen Order auf der Blockchain erheblichen Kosten, ohne dass dabei für die Ausführung der Order garantiert werden kann. Schauen wir uns zum Beispiel das OasisDEX Protocol an. Hier hat ein Nutzer allein für die Erstellung einer Order über 7 USD (mit dem damaligen ETH – Preis) gezahlt (heute wären es bereits 50 USD) (einsehbar über den Blockchain-Explorer). Es ist anzumerken, dass das Ethereum-Netzwerk für seine hohen Netzwerkgebühren berüchtigt ist, und günstigere Alternativen, wie z.B. Polygon, existieren. Trotzdem, das Ethereum – Netzwerk wird oft genutzt, weil es eben viele Nutzer hat, die angesprochen werden können.
Die hohen Kosten sind ein Problem, ein anderes ist die Öffentlichkeit der Blockchain. Trotz all den Vorteilen, welche die Transparenz mit sich bringt, will sich nicht unbedingt jeder Trader auf die Finger schauen lassen und der Welt mitteilen, welche Order aufgegeben werden.
Um die Herausforderungen der entstehenden Kosten sowie eine gewisse Privatsphäre beizubehalten, wird sich die kurz- bis mittelfristige Lösung wohl nicht komplett auf der Blockchain finden, sondern als hybride Lösung existieren. Die Orderaufgabe und das Matching verschiedener Quotierungen wird allein bereits aus kostentechnischen Gründen bis auf weiteres weiterhin auf dem traditionellen Wege stattfinden. Nach einem erfolgreichen Match werden die Transaktionsinstruktionen jedoch direkt an die Blockchain übermittelt, um die Zahlungswährung gegen das Finanzinstrument zu tauschen.
Abbildung 4 Hybride Orderzusammenführung (Off-Chain) und Transaktionsausführung (On-Chain)
Sobald der Handel auf einem Zweitmarkt stattfindet, werden Händler tokenisierte Wertpapiere kaufen und verkaufen, um dabei Kapitalerträge zu erzielen. In der uns bisher bekannten Finanzwelt werden die Kapitalertragssteuern üblicherweise von einer Zahlstelle einbehalten und die Steuern werden direkt an das jeweilige Finanzamt des Händlers abgeführt.
Bei tokenisierten Sekundärmärkten wird die Zahlungsabwicklung mittels eines Stablecoin-Anbieters stattfinden. Die zurückbehaltene Kapitalertragssteuer wird also in Form des Stablecoins und nicht als den handelsüblichen EUR existieren. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die deutschen Finanzämter in naher Zukunft Stablecoins als annehmen werden, da nebst den rechtlichen Grundlagen auch die technischen Kenntnisse dafür fehlen.
Es gibt dementsprechend zwei Lösungsansätze die verfolgt werden können:
A) Die Pflicht zur Abführung der Kapitalertragssteuer wird komplett auf die Nutzer abgewälzt. Dies wäre eine einfache Lösung für die Anbieter der Sekundärmärkte, da sie sich somit komplett der Thematik entziehen können, jedoch wäre dies eine sehr unbefriedigende Lösung für die Nutzer des Sekundärmarktes. Eine Nutzerunfreundliche Lösung ist schlussendlich in
niemandes Interesse, womit dieser Lösungsansatz auch nicht weiterverfolgt werden sollte.
B) Die Zahlstelle behält die abzuführende Steuer (in Form des Stablecoins) ein und konvertiert diese zurück in Euro, um die Steuern an die Finanzämter zu überführen. Dieser Ansatz ist der für den Endnutzer pragmatischere Weg, um an einem tokenisierten Sekundärmarkt teilnehmen zu können. Mit dem direkten Einbehalten der abzuführenden Steuer wird sichergestellt, dass sich Endanleger nicht direkt mit der Blockchain auseinandersetzen müssen. Ein Haken an der Sache wäre jedoch, dass entgegen dem Versprechen der Blockchain-Experten, ein neuer Intermediär ins Spiel kommen könnte. Falls aktuelle Zahlstellen noch nicht das technische Know-How zum Umgang mit digitalen Assets besitzen, müssen neue Dienstleister ins Spiel kommen, welche wiederum die Kosten erhöhen könnten.
Erste Zahlungsdienstleister haben bereits begonnen, Stablecoin-Anbieter PoCs durchzuführen. Es kann also erwartet werden, dass entweder zum Start oder zeitnah nach Inbetriebnahme der ersten Sekundärmärkte auch diese Thematik eine Lösung gefunden hat.
Die Blockchain hat die Charakteristik, unveränderbar zu sein und damit die Transparenz zu erhöhen. Was als Vorteil angepriesen wird, kann auch als Nachteil ausgelegt werden. Fehlerhafte Einträge können nicht direkt überschrieben werden und falls ein Token an eine falsche Adresse gesendet wird, kann man diese Transaktion nicht rückgängig machen.
Diese Gegebenheit ist für die Finanzwelt nicht praktikabel, da Fehler menschlich sind und es möglich sein muss, diese korrigieren zu können. Durch die Einführung neuer Gesetzgebungen wie dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (inkl. der neuen Finanzdienstleistung zur Kryptowertpapierregisterführung) oder MiFID II, wurden Verpflichtungen in diese Richtung an Finanzdienstleister auferlegt. Unter anderem sind Kryptowertpapierregisterführer dazu verpflichtet, Tokens einfrieren oder auch aus bestehenden Wallets wieder entfernen zu können, um damit die Regeln, welche in der traditionellen Finanzwelt herrschen, auch in der tokenisierten Welt anwenden zu können. Dies ist auch zwingend notwendig, da Wertpapierhändler bei ihren Transaktionen komplette rechtliche Sicherheit haben müssen.
In dieser Hinsicht nimmt Deutschland eine erstaunlich positive Vorreiterrolle ein. Durch die Regulierung wissen Finanzakteure ganz genau, was und unter welchen Bedingungen tokenisiert werden darf. Dies schafft Klarheit und ermutigt Emittenten auch dazu tokenisierte Wertpapiere anzubieten. In anderen Jurisdiktionen, wie z.B. den USA, fehlt diese rechtliche Klarheit und dementsprechend sind die großen Akteure auch zurückhaltender, was die Tokenisierung betrifft.
Nebst den Entwicklungen in Deutschland gibt es auch erfreuliche Entwicklungen im EU-Binnenmarkt. Mit der Einführung des DLT-Pilot-Regime im März 2023, existiert nun auch der Rechtsrahmen um tokenisierte Wertpapiere auf Sekundärmärkten zu handeln. Durch die Bestätigung via einen Brief der Europäischen Kommission im Mai 2024, ist es nun auch unmissverständlich klar, dass das DLT-Pilot-Regime gekommen ist, um zu bleiben. Per heutigem Stand gibt es noch keine lizenzierte Sekundärmärkte für tokenisierte Wertpapiere. Dies liegt unter anderem daran, dass die gesamte Infrastruktur dafür noch gebaut werden muss. Gemäß der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), haben jedoch bereits vier Unternehmen einen Lizenzantrag für das DLT-Pilot-Regime eingereicht, welche aktuell von den nationalen Aufsichtsbehörden überprüft werden. Es kann also damit gerechnet werden, dass noch dieses Jahr der erste tokenisierte Sekundärmarkt für Anleger zur Verfügung steht.
Im Rahmen des Whitepapers haben wir uns mit verschiedenen Entscheidungsträgern getroffen und sie dabei befragt, warum ihre Unternehmen noch nicht tokenisieren und wie sie einem tokenisierten Sekundärmarkt gegenüberstehen. Die Zurückhaltung zu dem Thema kann in den folgenden Punkten zusammengefasst werden:
Abbildung 5 Kryptowertpapiere und -registerführer in Deutschland
Durch geschickte Prozessimplementierungen, können Wallets für Endkunden in einem normalen Investitionsprozess eröffnet werden, ohne dass sich der Endanleger um Private-Keys kümmern muss (der Verwahrer übernimmt diese Dienstleistung). Die Tokenisierung von Wertpapieren kann mit der richtigen Partnerwahl durch die einfache Bereitstellung einer ISIN vorgenommen werden. Der Tokenisierer kümmert sich dann um die Smart Contracts und die richtige Token-Erstellung sowie Distribution. Optimalerweise, kümmert sich der Tokenisierer oder ein Sekundärmarktanbieter dann gleich auch um die nutzerfreundliche Orderaufgabe und die Abwicklung von Handelstransaktionen.
Das Schöne an den Blockchain-Lösungen ist, dass Unternehmen die Wahl haben und es ihren Anlegern selbst überlassen können, ob sie eigene Wallets mitbringen sollen und ihre Zinserträge z.B. in Form eines Stablecoins erhalten sollen. Die dadurch gesparten Kosten (durch den Wegfall von Intermediären) können entweder selbst einbehalten oder den Kunden weitergegeben werden.
Ein abschließendes Fazit zu ziehen, wäre angesichts der dynamischen und noch jungen Natur des Marktes für tokenisierte Vermögenswerte verfrüht. Der Bereich entwickelt sich weiterhin rasant, und die Zukunft ist mit vielen Unbekannten behaftet. Dennoch können wir eine fundierte Einschätzung darüber abgeben, welche Herausforderungen noch bewältigt werden müssen, um die Marktreife zu erreichen, und wie weit die aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen bereits fortgeschritten sind.
Abbildung 6 Einwertung des Fortschritts im Bereich tokenisierte Sekundärmärkte
Unsere Analyse zeigt, dass es signifikante Fortschritte in bestimmten Bereichen gibt, während andere noch erheblichen Entwicklungsbedarf haben. Der regulatorische Rahmen ist bereits weit fortgeschritten. Die Interoperabilität zwischen der traditionellen Finanzwelt und Blockchain-Lösungen ist jedoch ein weiteres entscheidendes Feld, das noch weiter ausgebaut werden muss, um eine reibungslose Integration zu gewährleisten.
Ein Bereich, der besonders herausfordernd bleibt, ist das Thema Steuern. Hier sind innovative Lösungen erforderlich, um sicherzustellen, dass Kapitalertragssteuern effizient und im Einklang mit den bestehenden Regularien abgeführt werden können. Auch die Rolle von Market Makern und Liquiditätsanbietern auf tokenisierten Märkten ist noch in der Entwicklung, wobei erste Fortschritte erkennbar sind.
Die Regulierung und Anwendung von Stablecoins ist ebenfalls ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von Sekundärmärkten für digitale Assets. Während die regulatorischen Rahmenbedingungen für Stablecoins zunehmend klarer werden, stehen die praktische Anwendung und die breite Akzeptanz solcher Währungen noch am Anfang.
Schließlich ist die Nachfrage der Marktteilnehmer bereits relativ stark, was zeigt, dass ein wachsendes Interesse an tokenisierten Vermögenswerten besteht. Diese Nachfrage bildet eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung des Marktes, sobald die verbleibenden technischen und regulatorischen Hürden überwunden sind.
Insgesamt zeigt unsere Einschätzung, dass der Weg zur vollständigen Marktreife zwar noch einige Herausforderungen birgt, aber die Fortschritte in verschiedenen Bereichen Anlass zu Optimismus geben. Der Markt für tokenisierte Vermögenswerte entwickelt sich weiter, und die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu sehen, wie sich diese neue Ära der Finanzmärkte gestaltet.